

Das Zuordnen von eingereichten Artikeln zu den passenden Gutachtern und Gutachterinnen war und ist für Konferenzorganisatoren oft noch eine Mammutaufgabe. Hunderte Publikationen müssen gelesen werden um zu erfassen, worum es darin im Detail geht. Nicht so auf der Eurographics, der renommierten jährlichen Konferenz der European Association for Computer Graphics. Dort durchforstet – dank der Zusammenarbeit mit Fraunhofer Austria – eine KI die Einreichungen und schlägt punktgenau die passendsten Reviewer vor.
Wer bei Künstlicher Intelligenz nur an das Auswerten langer Zahlenkolonnen denkt, wie sie in ordentlich strukturierter Form etwa von Maschinensensoren kommen, unterschätzt bei weitem die Fähigkeiten dieser Technologie. Mit „Natural Language Processing“ ist es heute auch möglich, mittels Machine Learning auch von Menschen verfasste Texten zu verarbeiten. Die Methode bringt in vielen Fällen eine enorme Zeitersparnis für den Kunden.
„Es ist dieses Arbeiten mit unstrukturierten Daten, die die Aufgabe für mich so richtig spannend macht, denn es ist ein viel komplexerer Fall als die klassischen Anwendungsgebiete“ sagt Projektleiter René Berndt vom Fraunhofer Austria Geschäftsbereich Visual Computing in Graz. „Wir filtern unwichtige Worte heraus, berücksichtigen dann die Häufigkeit der relevanten Worte, und vergleichen diese mit den Publikationen der zur Verfügung stehenden Reviewer. Dabei arbeiten wir aber auch mit Kombinationen aus zwei oder drei Worten, also Bigrammen und Trigrammen. Denken sie an den Begriff ‚machine learning‘. Nur nach dem Begriff ‚learning‘ zu suchen würde auf einen falschen Pfad führen, denn die Kombination macht die Bedeutung aus“.
Wie bei der Partnersuche
Auf einer typischen Konferenz werden hunderte Artikel eingereicht, die von Senior Reviewern – Experten und Expertinnen auf ihrem Fachgebiet – einem strengen Begutachtungsprozess unterzogen werden. Zuvor jedoch müssen die Papers den Reviewern jedoch zugeordnet werden – und zwar so, dass diese immer nur diejenigen Artikel beurteilen, deren Thematik ihrer eigenen Expertise gut entspricht. Nun unterstützt eine KI bei dieser bisher aufwändigen Arbeit.
Wie bei der Partnersuche in Online-Datingportalen schlägt die KI, nachdem sie hunderte Texte in hoher Geschwindigkeit durchforstet hat, den passenden Reviewer vor. Jedoch gilt es zu vermeiden, dass alle Publikationen beim selben Gutachter landen, zum Beispiel, weil dieser am meisten Erfahrung hat und auf vielen Gebieten Experte ist. Auch hier gibt es Ähnlichkeiten zu Dating-Portalen, weiß René Berndt. „Es hätte keinen Sinn, allen Kunden denselben Traumpartner vorzuschlagen, nur weil diese Person oft eine perfekte Übereinstimmung zeigt. Vielmehr will man, dass jeder Kunde Treffer erhält, die gut passen könnten.“
Bevor die Reviewer aber informiert werden, ist wieder der Chair der Konferenz gefragt. „Die Machine Learning Anwendung soll unterstützend wirken, nicht bevormundend, das ist uns sehr wichtig,“ erklärt René Berndt. So erhält der Chair also einen Vorschlag, den er beliebig anpassen kann.
Die Nase vorn
PRIMA „Paper Rating and IPC Matching“ heißt das Wundermittel, das auf diese Weise entstanden ist. Es ist eine Erweiterung des bestehenden Submission and Review Management, oder kurz: SRM, und erleichert den OrganisatorInnen der Eurographics die Arbeit mit dem Einreichungsprozess für ihre Konferenz drastisch – und das seit 2014. Die erste Vorläuferversion des heute eingesetzten Systems, damals allerdings noch ohne KI, entstand sogar schon – man kann es kaum glauben – im Jahr 1999, als die Möglichkeiten der Digitalisierung noch für Science-Fiction hielten. So hatte Eurographics bereits früh, und mit viel Abstand, die Nase vorn.
Inzwischen werden mit dem Tool, das von Fraunhofer im Auftrag von Eurographics betrieben wird, bei weitem nicht nur die Eurographics selbst, sondern auch etwa 15 weitere Konferenzen pro Jahr abgewickelt. Es ist derzeit bereits in seiner zweiten Version, der SRM v2, verfügbar und wird jedes Jahr von den Forscherinnen und Forschern von Fraunhofer Austria erweitert. Dabei wird auf Usability Wünsche eingegangen, oder das Tool mit zusätzlichen, neu entwickelten Technologien ausgestattet. So kamen auch 2019 wieder einige Neuerungen hinzu. Mehr als 10.000 Forscher und Forscherinnen aus dem Bereich Computer Graphik sind mittlerweile auf der Plattform registriert.
Anwendungen im Personalmanagement
Abgesehen von der erfolgreichen „Partnersuche“ im Reviewprozess hat die Methode des Natural Language Processing aber noch ganz andere Anwendungspotenziale. Eines davon liegt mit Sicherheit im HR Bereich, denn auch hier gilt es, Textdokumente wie Bewerbungen und Lebensläufe zu analysieren und den jeweils passenden offenen Stellen zuzuordnen. „Der Trend geht eindeutig zum automatischen Filtern von Lebensläufen,“ sagt René Berndt.
Eine weitere Anwendung sieht er im Überprüfen von Patenten: „Will man ein neues Produkt auf den Markt bringen, muss man zuerst sorgfältig überprüfen, ob ein von anderer Seite ein Patent auf dieses Produkt bestehen könnte. Auch hier gilt es wieder, hunderte oder tausende Dokumente und Texte zu durchsuchen und zu prüfen, ob mit dem eigenen Produkt eine Übereinstimmung auftritt. Dafür wäre Natural Language Processing ebenfalls bestens geeignet und kann den Prozess dramatisch beschleunigen.
Egal ob die Anwendung in der Konferenzorganisation, im Personalwesen oder im Durchsuchen von Patentanträgen bestehet – bei Fraunhofer Austria steht das nötige Know-How für eine KI-basierte Umsetzung zur Verfügung!