Konzeptionierung, Planung und Bau von Großanlagen sind hochkomplexe Aufgaben, bei denen moderne Technologien eine wertvolle Unterstützung bieten können. Insbesondere Virtual Reality – kurz: VR – trägt dazu bei, Planung und Kommunikation zu optimieren und ermöglicht sogar virtuelle Hands-On Trainings für die Anwenderinnen und Anwender. Die AVL List GmbH, das weltweit größte Unternehmen für die Entwicklung, Simulation und Prüfung von Antriebssystemen mit Sitz in Graz, setzt schon seit einiger Zeit auf diese Technologie. Gemeinsam mit Fraunhofer Austria und der TU Graz erforscht, entwickelt und verbessert man im FFG geförderten Projekt VR4CPPS nun VR-Anwendungen.
Schon bei der Konzeption einer Großanlage wie den Testsystemen der AVL List GmbH stellen sich einige Fragen, bei deren Beantwortung ein Gang durch die virtuelle Welt helfen kann: Ist die Halle an jedem Punkt hoch genug um der Anlage Platz zu bieten oder könnten unter der Decke angebrachte Rohre zu Problemen führen? Ist eine Wartung der Anlage im geplanten Setup noch möglich? Lässt sich das benötigte Werkzeug an jeder Stelle gut ansetzen?
Bisher mussten diese und ähnliche Fragen mühsam mithilfe der Architektenpläne sowie der Konstruktionszeichnungen der Anlage beantwortet werden. Beurteilungen auf diese Weise waren zeitaufwändig und leicht konnte dabei auch noch etwas übersehen werden. Schneller, verlässlicher und intuitiver funktioniert die Planung mittels VR. Anpassungsbedarfe werden hier sofort klar ersichtlich, weshalb der Trend im Anlagenbau schon seit einigen Jahren stark zur VR geht.
Automatische Umwandlung
„In den letzten Jahren hat sich viel getan. Etliche Anbieter von CAD-Tools bieten bereits eine Umwandlung von Zeichnungen in die virtuelle Realität an. Noch haben diese Anwendungen aber viele Probleme“, erklärt Volker Settgast, der bei Fraunhofer Austria die Projektleitung innehat.
Meist sind die CAD-Zeichnungen viel zu detailreich für eine Umwandlung. Während in der Konstruktionszeichnung jede Schraube und jedes Bohrloch verzeichnet sein muss, sind diese in der VR nur eine unnötige Last für den Computer, der durch die aufwändige Darstellung ohnehin an die Grenzen seiner Rechenleistung gerät. Oft dauert das Laden einer VR Umgebung dann mehrere Minuten oder gar Stunden. Die nötigen Vereinfachungen mussten manuell durchgeführt werden – ein enormer Aufwand.
„Ein Ziel unseres Projektes ist es, diese Abläufe teils zu automatisieren“, erklärt Volker Settgast. Teils ist das auch schon umgesetzt – das automatische Weglassen der Schrauben funktioniert beispielsweise schon sehr gut, und die Erstellung der virtuellen Umgebung wurde bereits dramatisch beschleunigt. Doch die Forscherinnen und Forscher wollen die virtuelle Realität noch authentischer aussehen lassen und das Erlebnis des Rundgangs noch realistischer machen. Dafür definieren sie, wie die Materialien aussehen, denn ob ein Bauteil aus Plastik oder Metall besteht oder welche Farbe es hat, ist in der Konstruktionszeichnung oft nicht ersichtlich, in der visuellen Wahrnehmung macht es allerdings einen großen Unterschied. Mittlerweile ist auch das im Tool des Forschungsteams umgesetzt.
Design Review im „Multiplayer Mode“
Nicht erst durch die strengen Abstandsregeln und Einschränkungen der Covid-19-Pandemie war es naheliegend, Design Reviews im virtuellen Raum abzuhalten. Auch bei internationalen Unternehmen mit verschiedenen Standorten oder dann, wenn eine Anlage ins Ausland verkauft werden soll, sind diese der beste Weg, um gemeinschaftlich über die Planung zu sprechen. Anwenderinnen und Anwender bekommen in der VR ein klares und realistisches Bild davon, wie die Anlage aussehen wird.
„Wir haben unser Tool so konzipiert, dass man für das gemeinschaftliche Design Review nicht unbedingt VR Brillen braucht – man kann die virtuelle Realität auch am Bildschirm oder mit einem Beamer erleben. Zudem haben wir auch Voice Communication integriert, sowie die Möglichkeit, mit den Controllern Annotationen zu machen und Marker zu setzen. Es soll wirklich das Gefühl entstehen, dass man sich im selben Raum befindetsich sogar solche Tätigkeiten simulieren, die zu zweit durchgeführt werden“, sagt Volker Settgast.
„Das Lernen funktioniert in der VR wesentlich besser als es jemals beim theoretischen Lernen aus Anleitungen möglich wäre. Das unmittelbare Erleben führt zu einer intensiveren, einprägsameren Erfahrung“, erklärt der Experte. Das Tool bleibt dabei universell und lässt sich, einmal entwickelt, auf verschiedenste Bereiche anwenden. Virtuelle Museumstouren wären damit in Zukunft ebenso umsetzbar wie Führungen durch geplante Gebäude.