Avator | Mit KI zu besseren Konzepten der Raumhygiene

© Fraunhofer Austria

Im Forschungsprojekt „AVATOR – Anti-Virus-Aerosol: Testing, Operation, Reduction“ arbeiteten 15 Institute der Fraunhofer-Gesellschaft zusammen, um zu untersuchen, wie sich infektiöse Aerosole in Supermärkten, Flugzeugen und anderen Innenräumen ausbreiten. Fraunhofer Austria war mit dabei und lieferte eine Künstliche Intelligenz, mit der sich hochkomplexe Agentensimulationen dramatisch beschleunigen lassen.

Die Erfahrungen mit der Corona-Pandemie haben gezeigt, dass vor allem der Aufenthalt in geschlossenen Räumen ein erhöhtes Infektionsrisiko mit sich bringt. Die Übertragung findet dabei hauptsächlich durch sogenannte Aerosole statt – kleine Tröpfchen, die ausgeatmet werden und sich im Raum verteilen. Wie genau sich diese Aerosole in einem Raum ausbreiten und wie sich verschiedene Sicherheitsmaßnahmen objektiv vergleichen lassen, war die Fragestellung im Forschungsprojekt AVATOR, das vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP geleitet und mit Ende 2021 erfolgreich abgeschlossen wurde.

Das Projekt bündelte die Expertise aus verschiedenen Bereichen: Einerseits spielten Simulationen eine große Rolle, andererseits wurden auch experimentelle Messungen durchgeführt und Luftreinigungstechnologien untersucht. Die Forschungsteams standen dazu in einem stetigen Austausch miteinander.

Beim Simulieren der Aerosole arbeiteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und Singapur nicht nur mit einer einzigen Methode, sondern kombinierten Simulationen, die an den beteiligten Instituten durch unterschiedliche Verfahren und mit unterschiedlichen Detaillierungsgraden erstellt wurden. Diese begannen beim unmittelbaren Nahfeld einer infizierten Person – nahe am Mund – und reichten bis hin zu Auswirkungen auf große Räumlichkeiten. So konnten ganze Ketten aus verschiedenen Simulationen erstellt werden, wobei sich die Simulationen auf sinnvolle Weise ergänzen.

Agentensimulation für Menschen in Bewegung

Die an sich bereits komplexen Aerosolsimulationen werden noch etwas aufwändiger, wenn sich die Menschen nicht nur in den Räumlichkeiten aufhalten, sondern sich durch sie bewegen. Sogenannte Agentensimulationen werden eingesetzt, um diese Szenarien mathematisch zu beschreiben. Allerdings benötigt die Gesamtsimulation viel Rechenzeit. Hier kam das Team von Fraunhofer Austria ins Spiel.

Die Forscherinnen und Forscher aus Graz nutzen ihre Expertise zur 3D Geometrie-Modellierung um das Modell eines prototypischen Supermarktes zu erstellen. Die Kolleginnen und Kollegen von Fraunhofer Singapur erzeugten dann auf dessen Basis zufällige Wege von typischen Kunden – sogenannte Trajektorien. Theoretisch hätte man nun für jede einzelne dieser Trajektorien eine aufwändige Simulation der Aerosole durchführen müssen, was allerdings sehr zeitaufwändig gewesen wäre. Um die Berechnungen schneller zu machen, entwickelte das Team von Fraunhofer Austria einen Algorithmus auf Basis von Künstlicher Intelligenz. Dieser teilt die Trajektorien in Gruppen von sehr ähnlichen Wegen ein und erstellt für jede dieser Gruppen eine „typische“, repräsentative Trajektorie. Nur für diese müssen die Berechnungen durchgeführt werden. So werden die Berechnungen auf die relevantesten Vorgänge reduziert, also auf diejenigen, in denen sich Menschen nahe kommen weil sie beispielweise beide bei demselben Supermarktregal stehen oder an der Kasse in der Schlange warten.

„Die in AVATOR durchgeführten Simulationen der Tröpfchen-Ausbreitung sind hochkomplex und benötigen eine große Menge an Rechenzeit auch auf äußerst leistungsfähigen Computern. Dies wäre für Anwenderinnen und Anwender mit großem Zeitaufwand und hohen Kosten verbunden und auf lange Sicht nicht praxistauglich. Die von Fraunhofer Austria entwickelten Algorithmen sorgen dafür, dass sich die benötigte Rechenzeit dramatisch verkürzt. So wird der Einsatz der in AVATOR entwickelten Simulationsrechnungen schneller, günstiger und praxistauglicher, sodass Anwenderinnen und Anwender in Zukunft in der Lage sein werden, die Berechnungen schnell für viele Szenarien durchzuspielen“, erklärt Eva Eggeling.

So können in Zukunft auch Vergleiche verschiedener Maßnahmen in überschaubarer Zeit durchgespielt werden. Alternativen wie das Einführen von Einbahnregelungen im Supermarkt oder das Anbringen von Plexiglasscheiben können einander gegenübergestellt werden.

„Um die Pandemie in den Griff zu bekommen, muss man ihr wissenschaftlich begegnen. Man muss alle verfügbaren Gehirne und Kräfte mobilisieren um gemeinschaftlich zu helfen. Genau das hat die Fraunhofer-Gesellschaft im Projekt AVATOR getan, und ich bin stolz darauf, dass auch mein Team zu dem Projekt beitragen konnte“, sagt Eva Eggeling.

Eckdaten

Projektname: AVATOR – Anti-Virus-Aerosol: Testing, Operation, Reduction
Projektdauer: 14 Monate
programm:

Sofortprogramm »Anti-Corona« der Fraunhofer-Gesellschaft

konsortium:

Konsortium: Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP

Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI

Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM

Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT

Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF

Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP

Fraunhofer-Institut für Mikrotechnik und Mikrosysteme IMM

Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM

Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF

Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM

Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD

Fraunhofer Singapore

Fraunhofer Austria

Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM

Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB