Simulation statt Glaskugel

Wie Mondi Neusiedler mithilfe von Supply-Chain-Modellen und Simulationsstudien auf Marktentwicklungen und Wachstumschancen frühzeitig reagiert.
Mondi ist ein internationales Verpackungs- und Papierunternehmen, das rund 25.000 Mitarbeiter in mehr als 30 Ländern beschäftigt. In Österreich alleine sind es etwa 2.500. An den sieben Standorten werden Papier, Zellstoff, Wellpappe, Kraftpapiersäcke, Kunststoffe sowie spezielle Verpackungen hergestellt. Die zur Business Unit »Uncoated Fine Paper« gehörende Mondi Neusiedler GmbH produziert am Standort Ulmerfeld-Hausmening bei Amstetten in Niederösterreich Bürokommunikationspapier sowie ganze Rollen und Folio. Besonders das Rollen- und Folio-Geschäft legte in den vergangenen Monaten kräftig zu und stellt das Werk vor neue Herausforderungen.
Die Ausgangssituation: »Die Veränderungen im Produktportfolio ziehen weitreichende Folgen in der Produktion und Logistik nach sich. In diesem Fall geht es konkret um die Verlagerung von einer Produktgruppe zu einer anderen. Durch die zunehmende Nachfrage bei Rollen und Folio kommt es zu Mengenverschiebungen, die Variantenvielfalt schießt in die Höhe und damit unweigerlich auch die Komplexität in der Planung. An diesem Punkt gilt es, unterschiedliche Überlegungen zu starten: Wie sieht ein zukunftssicheres Standortkonzept aus? Wo kann ich die neuen Produkte bestmöglich schneiden, lagern etc.?«, schildert Heimo Pascher, Projektleiter aus der Fachgruppe Logistikmanagement bei Fraunhofer Austria.
Volatile Märkte
Heute gilt es mehr denn je, Entscheidungen vorausschauend zu reflektieren und zukunftsfähig auszurichten. Um weiterhin Kundenbedürfnissen bestmöglich gerecht zu werden – den hohen Lieferdruck zu halten und gleichzeitig exzellentes Service zu bieten, holten sich die Niederösterreicher Ende 2016 Fraunhofer Austria an Bord. Ziel war es, die Auswirkungen zukünftiger Entwicklungen sichtbar zu machen sowie innovative Konzepte für die Sicherung einer langfristigen Wettbewerbsfähigkeit zu entwickeln.
Supply-Chain-Simulationen
Am Beginn der Zusammenarbeit wurden in Management-Workshops unterschiedliche Zukunftsszenarien, je nach Mengenentwicklung der unterschiedlichen Produktsegmente, erarbeitet und definiert. Anschließend entwickelte Fraunhofer Austria ein parametrisierbares Supply-Chain-Modell. Das Modell ist dabei im Stande, die Auswirkungen der jeweiligen Szenarien auf sämtliche Produktionsanlagen sowie Lagerorte sowohl am Standort in Ulmerfeld als auch im gesamten Logistiknetzwerk aufzuzeigen. »Je nach gewähltem Szenario berechnet das Modell beispielsweise auf welcher Papiermaschine es zu einem Engpass kommen könnte«, so Pascher. Tausende Datensätze und Informationen aus den Vorjahren flossen zusätzlich in ein Simulationsmodell. »Wir haben künftige Aufträge ins System eingespielt. Die Papiermaschinen und Umroller wurden dann Bedarfsschwankungen oder Maschinenausfällen ausgesetzt. Die Frage ‚Was passiert, wenn…?‘ kann dadurch schnell und zielgerichtet beantwortet werden. Die Folgen unterschiedlicher Effekte sind für Entscheidungsträger auf einen Blick ersichtlich«, erklärt der Logistikexperte weiter.
Auf Basis der Simulationsergebnisse definierte das Team von Fraunhofer Austria letztendlich geeignete Maßnahmen, Lagerhaltungsstrategien und Investments, die im Rahmen einer eigenen Roadmap mit insgesamt 12 Projekten für Mondi Neusiedler aufbereitet wurden.
»Das Projekt lieferte zielgerichtete Ergebnisse. Vor allem die Simulationen bringen für uns den entscheidenden Mehrwert: Mit diesem Werkzeug können wir unterschiedliche Szenarien durchspielen und so auf künftige Marktanforderungen und Kundenbedürfnisse frühzeitig reagieren«, beantwortet Erich Leonhartsberger, Head of Logistics and Information Process bei Mondi Neusiedler die Frage nach den Vorteilen für sein Unternehmen durch die Auftragsforschung von Fraunhofer Austria. Und das dazu schnell: »Innerhalb von nur sechs Monaten haben wir gemeinsam mit den Wissenschaftlern von Fraunhofer Austria ein komplettes Logistik- und Planungskonzept aufgestellt.«
Digitale Geschäftsprozesse
Neben dem Thema Logistik setzte sich Fraunhofer Austria im Rahmen des Projekts ebenso mit der Prozessanalyse auseinander. Gemeinsam mit den Fachabteilungen vor Ort wurden die Produktionsplanungsprozesse im Werk Ulmerfeld genauestens unter die Lupe genommen. Mehr als 60 Verbesserungspotentiale wurden eruiert, wovon einige bereits während der Projektlaufzeit als Quick-Wins erfolgreich umgesetzt werden konnten. Zusammen mit der Sales & Operations Planning (S&OP) Abteilung identifizierte das Fraunhofer Austria-Team bei den Planungsprozessen und Abläufen in der Zentrale konkrete Handlungsfelder und entwickelte darauf basierend eine Roadmap zur Umsetzung eines »Integrated Business Planning« Ansatzes. Dieser soll dem Papierhersteller durch verstärkte Einbindung der unterschiedlichen Abteilungen und Produktionswerke zu einem transparenteren Planungs- und Steuerungsprozess führen. Erste Verbesserungen durch einen verschlankten und beschleunigten S&OP-Kernprozess realisierte Mondi Neusiedler noch während der Projektlaufzeit.
Langfristige Zusammenarbeit
Bereits in der Vergangenheit zeichnete Fraunhofer Austria für ein erfolgreiches Projekt bei Mondi Neusiedler verantwortlich. Hier lieferten die Forscher ein Intralogistikkonzept, um die Werksstruktur und die innerbetrieblichen Materialflüsse im Werk Ulmerfeld zu optimieren.