Überblick über die Datenflut
Die Covid-19 Pandemie hat vielen Unternehmen sehr deutlich aufgezeigt, wo Schwachstellen innerhalb der Versorgungsströme und Lieferketten liegen. Die Beschaffung von Rohstoffen und Komponenten, welche für die Auslastung der Produktion und die Gewährleistung der Lieferfähigkeit gegenüber den Kunden essenziell sind, gestaltet sich zunehmend schwieriger.
Mit diesem Problem sah sich auch die Klinger Fluid Control GmbH, die hochwertige Industriearmaturen fertigt, konfrontiert. Stark schwankende Bedarfsmengen sowie sich kurzfristig ändernde Lieferzeiten stellten die Materialdisposition und den Einkauf bei KLINGER vor große Herausforderungen. Mehrere Disponenten betreuten eine Vielzahl von Artikeln und arbeiteten mit verschiedenen Systemen, in denen unzählige Informationen an unterschiedlichen Speicherorten verstreut lagen. Bestehende Arbeitsweisen mit herkömmlichen Tabellenkalkulationsprogrammen stießen an ihre Grenzen und die große Datenflut in der Materialdisposition und im Einkauf überstieg zunehmend das menschliche Analysevermögen.
Der Weg in die Digitalisierung
In den unterschiedlichen IT-Systemen im Unternehmen ist bereits eine Vielzahl an Daten in unterschiedlichsten Formaten und Ausprägungen in digitaler Form vorhanden. Der Disponent steht jedoch vor der Herausforderung, dass er im Bedarfsfall zu einem bestimmten Artikel mehrere Systeme durchsuchen, die entsprechenden Datensätze zusammentragen und Informationen daraus ablesen muss. Die Anforderung an das Fraunhofer Austria Team rund um Alexander Schmid war darum, diese großen Datenmengen und verschiedenen Systeme zusammen zu fassen und in einem anwenderfreundlichen Tool auf Knopfdruck zur Verfügung zu stellen. Mit der finanziellen Unterstützung des Landes Niederösterreich im Rahmen des Förderprogramms „Digi4Wirtschaft“ und einem sehr genauen Anforderungsprofil seitens Klinger startete das Projekt, welches die zunehmende Komplexität in der Materialdisposition mit Methoden der Digitalisierung beherrschbar machen sollte. Dazu wurden die Daten detailliert erhoben und ein Clustering nach Datenverfügbarkeit und deren Speicherort durchgeführt. Anhand dieser Informationen wurden in einem ersten Schritt die Bestandsdaten visualisiert, danach auf eine Artikelübersicht heruntergebrochen und im weiteren auch lieferantenspezifische Auswertungen möglich gemacht.
Mit dem Fraunhofer Inventory Dragon – einem von Fraunhofer Austria entwickeltem Tool zur Visualisierung und Auswertung von großen Datenmengen in der Materialdisposition – werden nun Artikelstammdaten, Lagerort, Lieferanten, Lagerbestand, und weitere Informationen aus acht unterschiedlichen Datenbanken in einem Dashboard zusammengefasst dargestellt. Das seitens Fraunhofer Austria bereits mehrfach eingesetzte Tool wurde an Hand eines genauen Anforderungsprofils genau auf die Bedürfnisse von Klinger zugeschnitten, erweitert und adaptiert. Ziel war es dabei, im Rahmen des Projekts Klinger ein Werkzeug in die Hand zu geben, um Lager- und Dispositionsanalysen nach eigenen Parametern selbst durchzuführen und mögliche Handlungsweisen über alle Abteilungen hinweg abzuleiten. Das gesamte Unternehmen, vom Geschäftsführer bis hin zum operativen Mitarbeiter bekommt durch den Fraunhofer Inventory Dragon die Gesamtsumme der Informationen und somit auch dieselben Ergebnisse zusammengefasst präsentiert.
Möglichkeiten der Selbstanalyse
Alle Informationen und Daten werden tagesaktuell in das neue Tool eingelesen. Damit kann Klinger nun auf den Tag genau beispielsweise Lagerbestände auf Artikelebene abrufen und auswerten, wie sich jeder der mehr als 35.000 Artikel in den letzten 6 Jahren verhalten hat. Damit kann beispielsweise analysiert werden, wie weit die Artikelbestände von der eisernen Reserve entfernt liegt oder auch wann Warenbestände von einzelnen Artikeln knapp wurden. Müssen diese knapp werdenden Waren nachbestellt werden, so liefert dieses Tool nun auch die tatsächliche Wiederbeschaffungszeit basierend auf realen Erfahrungswerten.
„Notwendige Auswertungen und Analysen in Einkauf und Materialdisposition lassen sich nun rasch und effizient per Knopfdruck durchführen“ freut sich Ing. Christian Schweiger, Leiter Logistik und Einkauf.
Der Bodensatz, darunter versteht man Produkte, die sich über lange Zeit im Lager nicht bewegt haben, wird ausgewiesen und kann auf Warengruppenebene auf den Mindestbestand reduziert werden. Die Lagerfläche wird damit reduziert und Kosten eingespart.
„Der Inventory Dragon bringt Unternehmen nachhaltig weiter. Klinger hat im Rahmen des Projekts einen fertigen Werkzeugkasten bekommen, mit dem das Unternehmen selbständig weiterarbeiten kann und zukünftig nicht auf das Projektteam angewiesen ist. Als Wissenschaftler macht es mich stolz, wenn ich sehe, dass in Projekten wie diesem der Wissenstransfer von innovativen Ideen bis hin zur industriellen Anwendung so reibungslos funktioniert und dem Unternehmen einen nachhaltigen Mehrwert bringt.“ Erklärt Projektleiter Alexander Schmid.