


Ein Forschungskonsortium mit Beteiligung von Fraunhofer Austria modelliert, simuliert und prognostiziert den Verbrauch von Trinkwasser.
Trinkwasser ist eine der lebenswichtigsten Ressourcen überhaupt. Entsprechend bedeutend ist es, undichte Stellen im Wasserrohrnetz rechtzeitig zu detektieren und zu lokalisieren, um diese schnellstmöglich reparieren zu können. Gleichzeitig ist es sinnvoll, die Konsumentinnen und Konsumenten von Trinkwasser für den Wert der Ressource zu sensibilisieren, und sie beim sparsamen Umgang mit ihr zu unterstützen. Im Forschungsprojekt „Rewadig“ hat sich ein Konsortium das Ziel gesetzt, mittels geeigneter Sensorik und künstlicher Intelligenz Methoden zu entwickeln, diese und weitere Ziele zu erreichen. Ein im Projekt entwickeltes Prognosetool für den zukünftigen Trinkwasserverbrauch unter Berücksichtigung der Bevölkerungsentwicklung und klimatischer Veränderungen hilft zudem dabei, die Versorgung resilienter zu machen und langfristig abzusichern.
Daten aus der Pilotregion
Will man ermitteln, wo es zu Verlusten kommt, die auf ein Leck hindeuten, und wie sich der Wasserverbrauch im Lauf eines Jahres beziehungsweise im Tagesverlauf unter Normalbedingungen verhält, sind gute Daten unerlässlich. Diese lassen sich durch digitale Wasserzähler gewinnen, die in bestimmten, kurzen Zeitabständen automatisch einen Messwert an den Betreiber des Leitungsnetzes übertragen. Während diese im Strombereich schon lange bekannt sind, sind sie im Bereich der Wasserverbrauchsmessung noch verhältnismäßig selten. Für die Untersuchungen und das Entwickeln der Modelle wählte das Forschungskonsortium daher eine geeignete Pilotregion aus, in der diejenigen Haushalte, die sich dazu bereit erklärten, mit digitalen Wasserzählern ausgestattet wurden. Erstmals wird so die urbane Trinkwasserversorgung einer bestehenden Kommune in eine intelligente Versorgung transformiert. 114 Haushalte in den Kärntner Ortschaften Limmersdorf und Aich an der Straße haben seit Projektbeginn bereits eingewilligt und ihre digitalen Wasserzähler erhalten.
Derzeit wird eine Plattform entwickelt, die einen Datenschutz-konformen Transfer der gemessenen Informationen an die Forschungspartner ermöglicht. Bis dahin arbeiten die Forscherinnen und Forscher unter anderem mit den Durchflussdaten zweier Knotenpunkte, die den Gesamtwasserverbrauch der Region abbilden. Drucksensoren, die an den Hydrantenpunkten verbaut werden sollen, werden im weiteren Verlauf des Projekts ebenfalls zur Erhöhung der Modellgenauigkeit und genauen Lokalisierung der Leckagen beitragen und den Datensatz ergänzen.
Schon jetzt können die Forscherinnen und Forscher mit den bisher verfügbaren Daten Erfolge vermelden. „Wir haben die gesamte Durchflussmenge der beiden Knotenpunkte Kohleweg und Schülerweg analysiert und konnten darin bereits deutliche Features im Verlauf des Wasserverbrauchs erkennen. Eine von uns programmierte und trainierte KI, in diesem Fall basierend auf einer sogenannte Support Vector Regression, ist bereits jetzt in der Lage, den Verlauf im Großen und Ganzen zu prognostizieren. Einen Leitungsbruch könnten wir damit schon jetzt detektieren, für feinere Details und das Detektieren von kleineren Lecks braucht es dann die Daten aus den digitalen Wasserzählern. Zusätzlich werden wir auch komplexere Künstliche Intelligenzen wie Neuronale Netze trainieren und hoffen unser Modell so noch deutlich zu verbessern“, erklärt Claudia Maußner, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Fraunhofer Austria.
Simulation als Training
Um eine Künstliche Intelligenz trainieren zu können, braucht es meist große Datenmengen – nicht nur Daten aus dem Normalbetrieb, sondern auch solche, die einen Störfall repräsentieren. Diese sind im Fall eines Wasserleitungssystems natürlich nicht vorhanden, denn Lecks treten glücklicher Weise sehr selten auf. Experimente, in denen ein Öffnen der Leitung ein Leck simuliert, können zwar in kleiner Zahl zur Validierung durchgeführt werden, nicht aber in der großen Anzahl, die für das Training der KI nötig wäre. Abhilfe schafft hier eine detailgetreue Computersimulation des Netzes und des darin herrschenden Wasserdrucks. Die Forschenden an der Universität Innsbruck erstellten im Rahmen des Projekts ein hydraulisches Modell, das die Auswirkungen eines Lecks auf den Wasserdruck an den Messpunkten modellieren kann. Dieses Modell ist bereits einsatzbereit und soll nun benutzt werden, um Trainingsdaten für die KI zu erzeugen.
Langfristige Prognosen
Ein Bevölkerungswachstum, aber auch eine höhere durchschnittliche Temperatur sind Faktoren, die dazu führen können, dass gegebenenfalls neue Quellen erschlossen und das Leitungsnetz verstärkt werden muss. Auch zu dieser Fragestellung lieferte das Projekt Rewadig bereits erste Prognosen – in diesem Fall für die gesamte Stadt Klagenfurt –, die im weiteren Projektverlauf verfeinert werden. „Kennt man das Wassernutzungsverhalten der Bevölkerung in Zusammenhang mit dem Wetter, der Jahreszeit und in Abhängigkeit der Anzahl der Bewohner, so lässt sich abschätzen, wie sich der Verbrauch langfristig verändern wird. Unser Ziel ist es, den Stadtwerken die Informationen zu liefern, die sie brauchen, um ihre Versorgung resilient und zukunftssicher aufzustellen“, erklärt Martin Oberascher, Projektbearbeiter an der Universität Innsbruck.
„Wir wollen mit dem Projekt Rewadig dazu beitragen, das Trinkwasser als wertvolle Ressource besonders zu schützen und die Bevölkerung für den Wert des Wassers zu sensibilisieren“, erklärt Claudia Maußner.
Dieses Projekt wird aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen des Programms „Smart Cities Demo – Boosting Urban Innovation 2020“ durchgeführt (Projekt 884788).