Effizient getestet
Wie automatisierte Messwertkontrollen mit einem Algorithmus von Fraunhofer Austria das Reliability Testing bei Infineon unterstützen
Zuverlässigkeit, Belastbarkeit und Langlebigkeit der gefertigten Produkte haben bei Infineon Technologies oberste Priorität. Die Bauteile werden daher im Rahmen des Reliability Product Testing rigorosen Tests unterzogen. Sehr hohe und sehr niedrige Temperaturen, hohe elektrische Spannungen oder mechanische Kräfte – all diesen Belastungen werden die Komponenten ausgesetzt. Immer wieder ermitteln dabei die Mitarbeitenden durch regelmäßig durchgeführte Probemessungen, ob sich die Parameter der getesteten Bauteile innerhalb der vorgegebenen Grenzwerte befinden. Liegt eine Messung außerhalb der Grenzwerte, ist der Fall klar. Auch bei Ergebnissen, die innerhalb der gewünschten Grenzwerte besteht durchaus die Chance, die Abläufe noch weiter zu verbessern. Hier kommt ein Algorithmus von Fraunhofer Austria ins Spiel.
Bei einem außerordentlich hohen Anspruch an die Qualität ist ein Ergebnis innerhalb der Grenzwerte eventuell noch nicht genug. „Betrachtet man die Daten genau, so kann man in manchen Fällen einzelne Messungen entdecken, die zwar innerhalb der festgeschriebenen Grenzwerte liegen, aber trotzdem Auffälligkeiten aufweisen. Sie weichen deutlich von den anderen Messungen ab“, erklärt Claudia Maußner, Forscherin bei Fraunhofer Austria die Ausgangslage.
Früh informiert
Bei den auffälligen Messergebnissen kann es sich entweder um die Werte von Bauteilen handeln, die tatsächlich Besonderheiten aufweisen, oder aber es kann sich um Messungen handeln, die unbeabsichtigt beeinflusst wurden. Das kann beispielsweise passieren, wenn das betreffende Bauteil vor der Messung länger als die anderen Teile in der Hand gehalten und dadurch stärker erwärmt wurde, oder wenn sich zwischen den Messungen die Luftfeuchtigkeit stark verändert hat. Die tatsächliche Ursache kann durch eine Wiederholung der Messung ermittelt werden. Damit diese Kontrolle so früh wie möglich durchgeführt werden kann, soll in Zukunft ein Algorithmus die Messwerte automatisch analysieren und möglichst rasch darauf aufmerksam machen. Dieser soll so programmiert werden, dass er zuverlässig alle Ausreißer erkennt – eine Aufgabe wie gemacht für die Mathematikerinnen und Mathematiker bei Fraunhofer Austria.
Seitens Infineon wurden verschiedene Mess-Szenarien aus der Vergangenheit mit ihrer charakteristischen Fehlerbeschreibung zur Verfügung gestellt. Das Projektteam erhielt für die Entwicklung der Methode für sieben verschiedene Bauteile insgesamt etwa eine halbe Million Datenpunkte. Daran konnte der Algorithmus erprobt werden.
Die Wichtigkeit einer frühen Detektion und Information wird offensichtlich, wenn man sich den Ablauf der Messreihe vor Augen führt: Nach einer Initialmessungen werden die Bauteile dem ersten Stresstest unterzogen. Danach werden wieder Messungen durchgeführt und die Bauteile dann erneut gestresst, um sie danach ein weiteres Mal zu prüfen. Sollte dann erst bemerkt werden, dass es bei der Messung zwischen dem ersten und dem zweiten Stresstest ein ungewöhnliches Ergebnis gegeben hat, ist es nicht mehr möglich, diese Messung zu wiederholen. Der Algorithmus soll daher in Zukunft in das Produktivsystem integriert werden. „Unser Algorithmus fängt alle Outlier ab und informiert die Mitarbeitenden in Echtzeit, sodass diese der Auffälligkeit sofort nachgehen können“, erklärt Claudia Maußner.
Wissenstransfer
Bevor es allerdings an das Entwickeln des Algorithmus ging, musste erst ein gegenseitiger Wissensaustausch stattfinden. Dafür fanden zu Beginn des achtmonatigen Projekts etliche Workshops statt. Torsten Ullrich, Forscher bei Fraunhofer Austria, erklärt: „Um einen passenden Algorithmus zu finden, war das fachliche Wissen von Infineon natürlich essenziell. Wir mussten erfahren, was die Parameter in der Praxis bedeuten und welche davon besonders relevant sind. Im Gegenzug haben wir statistisches Know-How vermittelt.“
Ausgestattet mit dem fachlichen Wissen aus den Workshops machten sich die Forscherinnen und Forscher auf die Suche nach dem perfekten Algorithmus. Wie es in der Wissenschaft so ist, wurden verschiedenste Ansätze getestet und nicht alle erwiesen sich als brauchbar. „Wir haben einige unterschiedliche Zugänge und Berechnungsmethoden aus dem Repertoire der Mathematik ausprobiert. Es war eine richtige Detektivarbeit“, erklärt Projektmitarbeiter Lin Shao. „Beispielsweise haben wir auch versucht, ob eine multidimensionale Detektionsmethode sinnvoll sein könnte. Diese würde die Parameter nicht einzeln, sondern zugleich analysieren. Es hat sich aber herausgestellt, dass das nicht der ideale Zugang war.“ Schlussendlich konnte aber ein gut geeigneter, robuster Algorithmus gefunden werden, der zuverlässig alle Ausreißer – und nur diese – als solche identifiziert.
Daten sichtbar machen
Doch nicht nur der Algorithmus soll erkennen, wann eine Messung „aus der Reihe tanzt“. Auch für Menschen soll sofort klar ersichtlich sein, warum eine bestimmte Messung zur Überprüfung geschickt wird. Hier kommt eine weitere Expertise der Forschenden von Fraunhofer Austria zum Einsatz: die Datenvisualisierung.
Sowohl der Algorithmus als auch die Visualisierungstools für die Daten wurden zum Projektabschluss als Prototyp implementiert und sollen zukünftig ins Produktivsystem übernommen werden.