
Bei EVVA trifft Wiener Tradition auf Forschergeist. Im Zeichen des demografischen Wandels setzte das Unternehmen in Zusammenarbeit mit Fraunhofer Austria eine »Montage der Zukunft« im Headquarter in Wien um.
Hätten Sie es gewusst? Das Akronym EVVA steht für Erfindungs-Versuchs-Verwertungs-Anstalt. Diesem Innovationsanspruch ist das 1919 gegründete Familienunternehmen mit einer hauseigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung bis heute treu geblieben. Umso weniger verwundert die bereits langjährige und erfolgreiche Kooperation mit Fraunhofer Austria. Im bisher größten gemeinsamen Projekt »Montage der Zukunft« entwickelten die Forscherinnen und Forscher ein sogenanntes cyberphysisches Montagesystem, das jüngste Industrie 4.0-Entwicklungen mit einschließt, darunter innovative Assistenzsysteme und Automatisierungstechniken. Ziel war zum einen die Steigerung der Produktivität und zum anderen die Entwicklung eines ergonomisch idealen Arbeitsplatzes für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Hoch spezialisierte Beschäftigte
Die Industrie steht heute zwei wesentlichen Herausforderungen gegenüber: der immer älter werdenden Belegschaft und der stetig wachsenden Komplexität durch individueller werdende Produkte. Davon betroffen ist auch das Wiener Traditionsunternehmen EVVA, einer der führenden Hersteller mechanischer und elektronischer Zutrittssysteme in Europa. Der Stammsitz am Wienerberg ist nicht nur Zentrale, sondern auch Hauptproduktionsstandort mit knapp 500 Mitarbeitenden. Im Werk von EVVA werden die unterschiedlichsten Sicherheitstechnik-Produkte teilweise in reiner Handarbeit gefertigt. »Viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind bereits seit sehr vielen Jahren bei uns tätig und damit hoch spezialisierte Fachkräfte. Die menschenleere Fabrik ist für uns keine Zukunftsvision. Ganz im Gegenteil: Wir investieren gezielt in unsere Beschäftigten. Dazu gehört auch das Thema alternsgerechte Montage«, betont Michael Kiel, Executive Vice President, Operations & Qualitymanagement bei EVVA. »Assistenzsysteme bilden in Zukunft einen wichtigen Baustein in der Produktion. Denn sie sorgen dafür, dass die steigenden Arbeitsanforderungen für alle Mitarbeitenden beherrschbar bleiben sowie der hohe Produktivitäts- und Qualitätsstandard in der Montage gehalten und darüber hinaus noch gesteigert wird. Dazu gehören etwa technische Assistenzsysteme, die bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten entlasten, und visuelle Systeme, die durch immer komplexer werdende Prozesse führen«, erklärt Lukas Lingitz, Projektleiter seitens Fraunhofer Austria.
Alternsgerechte Montage
»Die zu fertigenden Teile sind sehr klein. Das führt zu Belastungen an den Fingern und den oberen Extremitäten. Im Projekt gingen wir daher der Frage nach, wie man mit relativ einfachen Tools, aber wissenschaftlich fundiert, Verbesserungen ableiten kann, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach individuellen Bedürfnissen am Arbeitsplatz bestmöglich unterstützen«, führt Lingitz weiter aus. Er und sein Team führten daher in einem ersten Schritt Ergonomie-Bewertungen durch. Mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen gestalteten die Forscherinnen und Forscher schließlich einen kompletten ergonomisch optimierten Montage-Arbeitsplatz im Werk von EVVA – und das von A wie Arbeitstisch bis Z wie Zubehör. Gleichzeitig entwickelte Fraunhofer Austria eine Methode, mit der EVVA selbst in der Lage ist, die ergonomischen Belastungen an anderen Arbeitsplätzen zu bewerten und daraus konkrete Handlungsfelder abzuleiten. Der Mockup-Arbeitsplatz diente in weiterer Folge auch als Schulungsstationen für die Montagemitarbeiterinnen und -mitarbeiter.
Teamwork von Mensch und Maschine
In der Montage der Zukunft rückt die Vernetzung von Mensch und Maschine in den Mittelpunkt. Im Rahmen des Projekts befassten sich die Expertinnen und Experten von Fraunhofer Austria daher auch mit den Themen digitale Vernetzung und Automatisierung. Die Anforderung war dabei, jene Arbeitsschritte, die aus ergonomischer Sicht sehr belastend für die Beschäftigten sind, und durch Arbeitsplatz-Redesign nicht verbessert werden konnten, zu automatisieren. Die Aufgabe der Forscherinnen und Forscher lag dabei in der Integration dieser Automatisierungslösungen in die Montage unter Berücksichtigung vor- und nachgelagerter Prozesse wie etwa der Materialver- und -entsorgung. »Diese Automatisierung wurde direkt in die Montagelinie eingebaut. Die Taktzeit an der Maschine ist in diesem Fall genau mit der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter abgestimmt«, erklärt der Forscher. Im Bereich Verpackungen werden die Mitarbeitenden von EVVA darüber hinaus durch visuelle Assistenzsysteme unterstützt. »Wir haben die Erfahrungen und das Wissen der Beschäftigten in ein Werkerassistenzsystem gegossen. Das System stellt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dabei kontextbasiert Informationen bereit: um welchen Auftrag es sich handelt, wohin die Teile verschickt werden, welche Verpackung zu verwenden ist und so weiter. Das unterstützt nicht nur neue Mitarbeitende, sondern hilft EVVA dabei, diese wertvolle Wissensressource nachhaltig zu sichern und die hohe Servicequalität zu halten«, so Lingitz. Des Weiteren haben sich die Produktionsexpertinnen und -experten innerhalb der dreijährigen Projektlaufzeit mit dem wichtigen Zukunftsthema »Mensch-Roboter-Kollaboration« auseinandergesetzt und etwaige Einsatzmöglichkeiten, die aus ergonomischer Sicht Sinn machen würden, ausgelotet und Potenziale erhoben. Das Projekt »Montage der Zukunft« wurde im Rahmen des Förderwettbewerbs »Pro Industry« von der Wirtschaftsagentur Wien gefördert.