
Die voestalpine Böhler Bleche GmbH produziert in ihren Werken in der Steiermark qualitativ hochwertige Bleche und Blechzuschnitte unter anderem für die Luftfahrtindustrie. Nun setzt das zukunftsorientierte Unternehmen auf die Industrie 4.0 und auf die Potenziale künstlicher Intelligenz. In einem Projekt mit Fraunhofer Austria wurden KI-Algorithmen entwickelt, die den Zustand der Maschinen bewerten und für die optimale Produktionsreihenfolge sorgen.
In einem Werk, in dem verschiedenste Materialien in einer Reihe von Maschinen für unterschiedliche Anwendungen verarbeitet werden, sind sowohl das Erstellen einer Instandhaltungsstrategie als auch die Produktionsplanung hochkomplexe Aufgaben. Algorithmen können hier helfen, das Optimum zu finden, denn sie bewerten die Situation objektiv und schnell. In einem drei Jahre dauernden Projekt haben Experten von Fraunhofer Austria die Digitalisierungspotenziale bei der voestalpine Böhler Bleche GmbH identifiziert, KI-Algorithmen entwickelt und diese schließlich im Live-Betrieb umgesetzt. So werden mithilfe modernster Technologien Kosten gespart und die Anlagenproduktivität gesteigert.
Vom Maschinenzustand zur Produktionsplanung
Eine große Rolle bei der Suche nach der idealen Produktionsreihenfolge spielt der Zustand der Maschinen. Eine Tafelblechschere, deren Klinge bereits etwas abgenutzt ist, kann weichere Materialien zum Beispiel noch problemlos in der gewünschten Qualität schneiden, härtere Materialien jedoch nicht mehr – mit Auswirkungen auf die Reihenfolge, in der die Aufträge idealer Weise abgearbeitet werden sollten. Auch der Zustand von Walzgerüsten und Richtmaschinen haben Einfluss und müssen berücksichtigt werden. Hier haben vor allem die verschiedenen benötigten Temperaturen auf die Öfen einen Einfluss auf die Energieeffizienz.
Um das komplexe Zusammenspiel aller Parameter berücksichtigen zu können, setzen die Forscher daher zu allererst auf Condition Monitoring – das Messen und Beurteilen des Maschinenzustands. Die Kenntnis dieses Zustands bildet dann die Basis für weitere Optimierungsrechnungen.
KI lernt vom Menschen
Abnutzungen der Werkzeuge führen zu merklichen Veränderungen der Maschine. Ein erfahrener Maschinenführer erkennt den Zustand „seiner“ Maschine unter Umständen am Klang. Das machten sich die Forscher zunutze: Sie statteten die Maschine mit Vibrationssensoren aus und trainierten eine künstliche Intelligenz darauf, den Zusammenhang zwischen den Vibrationen und dem Zustand der Maschine zu erkennen. Die Expertise des Menschen spielte dabei eine wichtige Rolle, denn die KI erlernte die Zusammenhänge auf der Basis der Einschätzung der erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die Daten eines Schnittzählers sowie die Informationen zu Werkstoff und Art der Legierung flossen in die Berechnung mit ein. Nach dem erfolgreichen Training ist die KI im Klassifikationsalgorithmus nun in der Lage, die menschliche Einschätzung mit 90% Genauigkeit zu reproduzieren. Sowohl der Zustand der Maschine als auch der des Werkzeugs werden dabei beurteilt.
Das erworbene Wissen über den Maschinenzustand setzen die Forscher in der Feinplanung der Produktion ein, man spricht daher von zustandsbasierter Reihenfolgeplanung. Gruppenleiter Robert Glawar ist begeistert von diesen Synergieeffekten: „An diesem Beispiel sieht man hervorragend, dass die Integration von Instandhaltung und Produktionsplanung einen signifikanten Beitrag zur Produktivitätssteigerung hat. Die Einsatzmöglichkeiten von instandhaltungsrelevanten Daten gehen weit über die reine Instandhaltung hinaus.“
Basis der Optimierung sind stets die Zielvorgaben: die ideale Reihenfolge verbessert die Termintreue, minimiert den Instandhaltungsaufwand und erhöht die Produktivität. All das wurde bei der Programmierung der Algorithmen mit einbezogen.
Umsetzung im Live Betrieb
Nach der anfänglichen Evaluierung des Digitalisierungspotenzials und der Erstellung der KI-Algorithmen stand die Umsetzung am Programm. Mittlerweile sind die Algorithmen im Produktivsystem integriert und haben den Betrieb aufgenommen. Der koordinierende Gruppenleiter in der Produktion wird nun also, basierend auf dem Zustand der Maschinen, mit einem Vorschlag der KI unterstützt – das spart mühsame händische Arbeit ein und beschleunigt die Entscheidungsfindung. Besonders erwähnenswert ist dabei die nahtlose Umsetzung im bestehenden Produktionssystem. Projektleiter Matthias Karner implementierte die neuen Funktionen direkt in das bestehende IT-System und stellte einen reibungslosen Übergang sicher.
Gleich an mehreren Stellen kommt die künstliche Intelligenz bei Böhler nun zum Einsatz: sie erstellt die Durchlaufzeitprognosen und die Prozesszeitprognosen für die Grobplanung der Produktion, sie liefert mit Hilfe der Klassifizierungsalgorithmen Information über den Zustand der Maschinen, und schlussendlich liefert sie auch den finalen Vorschlag für die Feinplanung – mit einem beachtlichen Ergebnis: 10 Prozent der virtuellen Kostenfunktion können mit Hilfe der Algorithmen eingespart werden. Die Produktivität wurde gesteigert, und die Energieeffizienz wurde – ganz im Sinne einer ressourcenschonenden und nachhaltigen Produktion – deutlich verbessert.