Human Centered Production: Produktivitätssteigerungen durch ergonomische Arbeitssystem-Gestaltung und "Cyber-Physikalische Montagesysteme"

Steigende Lebenserwartung und sinkende Geburtenraten verschieben die Altersstrukturen Österreichs kontinuierlich. Folgen sind weitreichende Herausforderungen für Gesellschaft und Wirtschaft. Ergonomische Arbeitssystem-Gestaltung und „Cyber-Physikalische Montagesysteme“ unterstützen dabei, den Folgen des Demografischen Wandels entgegenzuwirken und die Produktivität von Industrieunternehmen nicht nur zu halten sondern kontinuierlich zu steigern.

Die internationale Wettbewerbsfähigkeit wird zukünftig auch maßgeblich von der Produktivität älterer Menschen abhängig sein. Unternehmen sind daher gefordert, die Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter langfristig zu erhalten – auch unter schwierigen und turbulenten Marktbedingungen. Verschiedene Maßnahmen bei der Gestaltung von Arbeitssystemen können einem demografiebedingten Rückgang der Produktivität in der industriellen Fertigung, Montage und Logistik entgegenwirken.
Beim Kaminabend "Human Centered Production: Produktivitätssteigerungen durch ergonomische Arbeitssystem-Gestaltung und Cyber-Physikalische Montagesysteme" von Fraunhofer Austria wurden Wege und Methoden aufgezeigt, wie der Mensch in der Arbeitswelt unterstützt werden kann, um auch im Alter sowie in einer von Informations- und Kommunikationstechnologie durchdrungenen Arbeitswelt produktiv zu sein.

Produktivitätssteigerung durch ergonomische Arbeitssystem-Gestaltung

Für Fraunhofer Austria bedeutet nachhaltige Produktivitätssteigerung auch die Faktoren Mensch und Organisation in der Gestaltung von Arbeitssystemen eine zentrale Stellung zu geben. Diesem Schwerpunkt widmete sich Dipl.-Ing. Thomas Edtmayr, Gruppenleiter bei Fraunhofer Austria, in seinem Vortrag der "Produktivitätssteigerung durch ergonomische Arbeitssystem-Gestaltung". Bei der Planung von Arbeitssystemen verfolgt Fraunhofer Austria einen präventiven Ansatz: Belastungen sollen über das gesamte Erwerbsleben betrachtet und angepasst werden, um altersbedingte Tätigkeitseinschränkungen zu vermeiden. Die Reduzierung von Belastungen soll zu akzeptablen Beanspruchungen der Mitarbeiter führen - bei gleichzeitiger Steigerung der Produktivität. Durch Kombination von Methoden des Lean Managements und der Ergonomie wird die Forderung nach der Synchronisierung von direkten ökonomischen Faktoren sowie sozialen Faktoren gewährleistet.
In einer Studie konnten die Wissenschaftler von Fraunhofer Austria zeigen, dass ein Großteil der befragten produzierenden Unternehmen signifikante Produktivitätssteigerungen durch ergonomische Arbeitssystem-Gestaltung erwartet. Als größte Herausforderung wird die objektive Arbeitssystem-Analyse und -Bewertung gesehen. Fraunhofer Austria unterstützt Unternehmen daher bei der Erfassung und Optimierung ergonomischer Belastungssituationen industrieller Tätigkeiten im Kontext des Lean-Managements. In diesem Zusammenhang stellte Edtmayr das Ergonomie-Bewertungs- und Planungs-Tool EAWS (Ergonomic Assessment Worksheet) vor. Die Betrachtung körperlicher Belastungen erfolgt ganzheitlich über die gesamte Dauer der Tätigkeitsausübung einschließlich Arbeitshaltungen, Aktionskräften, manueller Lastenhandhabungen und repetitiven Belastungen der oberen Extremitäten. Mithilfe dieser Methode können Arbeitsplätze bereits in der Planungsphase analysiert, bewertet und optimiert werden.

Die Arbeit (auch) vom Menschen her denken

Prof. Dr. Peter Kuhlang, geschäftsführender Leiter des MTM-Instituts und der MTM-Akademie in Deutschland, beleuchtete das Spannungsfeld zwischen Ergonomie bzw. Gesundheit und Produktivität. Um hier angemessen zu agieren, müssen Unternehmen wissen, wie weit sie ihre Mitarbeiter belasten können, ohne deren Gesundheit zu schaden. Basis der Überlegungen ist die Methode MTM (Methods-Time Measurement), die auf Basis standardisierter Prozessbausteine Arbeitsabläufe und -methoden beschreibt. Sie kann ebenfalls bereits in der Planungsphase angewendet werden, bevor die Arbeitsabläufe im realen Arbeitssystem existieren. Zur gleichzeitigen Betrachtung der Ergonomie, sind sehr genaue Beschreibungen/Analysen notwendig. Um dieser Herausforderung zu begegnen und ergonomische Belastungen bereits in der Planungsphase erkennen und vermeiden zu können, wurde ein Forschungsvorhaben initiiert. Ziel ist es, höhere Qualität bei der Beschreibung menschlicher Arbeitsabläufe zu gewährleisten und somit bessere Analyse- und Optimierungsergebnisse zu erzielen bei einer gleichzeitigen Vereinfachung der Anwendung.

Produktionsarbeit 4.0

Dipl.-Wirtsch.-Ing. Philipp Hold, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Fraunhofer Austria, stellte bei seinem Vortrag „Cyber-Physikalische Montagesysteme (CPMS) und Produktionsarbeit 4.0“ in den Mittelpunkt. Mit dem als „Industrie 4.0“ bezeichneten Wandel hin zu ad hoc vernetzten und selbst-optimierenden Arbeitssystemen kann der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und intelligenten Assistenzsystemen dazu beitragen, manuelle und hybride Montagetätigen auch in einem Hochlohnland wie Österreich weiterhin wirtschaftlich zu erhalten. Neue Arbeitsformen ermöglichen es dabei, Arbeitssysteme flexibler und wandlungsfähig zu gestalten und einen wichtigen Beitrag zur „Work-Life-Balance“ zu leisten. Dabei wird die Mensch-Maschine-Interaktion intensiviert. Cyber-Physikalischen Montagesysteme zeichnen sich dadurch aus, dass moderne IKT zur gezielten Wertschöpfungssteigerung in klassischen Montagesystemen unter gleichzeitiger Fokussierung des Menschen und der Organisation eingesetzt werden. Ziele sind dabei unter anderem flexible und effiziente Personalkapazitäten,  Vermeidung von Engpässen in der Montage oder Erhöhung der Prozessstabilität. Zum Abschluss stellte Hold das von Fraunhofer Austria entwickelte Industrie 4.0 Phasenmodell vor, das Unternehmen auf ihrem Weg zur erfolgreichen Umsetzung von Industrie 4.0-Konzepten bzw. zur Gestaltung von CPMS unterstützt.